Mozarts "demokratische" Vorgabe
dreier gleichberechtigt miteinander konzertierender Partner, sein
"Kegelstatt-Trio", wird zwölf Jahre später von dem 27jährigen Ludwig van
Beethoven aufgegriffen. Auch er fühlte sich herausgefordert, ein
Tasteninstrument, ein Streich- und ein Blasinstrument in einem Trio zu
verbinden, und auch er schrieb später - aus den gleichen pragmatischen Gründen
wie Mozarts Verleger - die Klarinettenstimme in eine Violinstimme um.
"Gassenhauer-Trio" wird dieses frühe Werk allgemein genannt, nur nicht von
Beethoven selbst. Angeblich soll er gar nicht gewusst haben, dass das Thema des
Schlusssatzes eine zum Gassenhauer gewordene Melodie aus der komischen Oper "L'amor
marinaro", zu deutsch "Der Corsar oder Die Liebe unter den Seeleuten" von Joseph
Weigl war. Das ist unwahrscheinlich, denn sie erfreute sich in Wien großer
Beliebtheit. Gerade diese Melodie des Terzetts "Pria ch'io l'impegno" wurde von
etlichen komponierenden Zeitgenossen für Klaviervariationen verwandt.
Helmut Schmidinger
(29. 12. 2001):
Der Titel
dieses Stückes spielt auf zumindest zwei verschiedene Ebenen an. Die erste Ebene
ist eine gleichsam außermusikalische, programmatische. "Denn der angestammte,
der ordentliche Platz eines Autors ... ist der Platz zwischen den Stühlen",
beschreibt Siegfried Lenz 1965 den "Sitzplatz eines Autors" mehr als treffend.
Außerdem ist der "Gesang zwischen den Stühlen" Titel einer Gedichtsammlung Erich
Kästners, bei dem ich mir mit dem Gedichttitel "Sachliche Romanze" auch den
Untertitel meines Werkes "ausgeborgt" habe. An dieser Formulierung inspiriert
mich der scheinbare Widerspruch, der doch meinem kompositorischen
Selbstverständnis sehr weit entgegen kommt. Die zweite Ebene ist eine
"innermusikalische". Den "Gesang" zwischen zwei formal klar gegliederten Teilen
einer Oper nennt man Rezitativ, das in der Regel rhythmisch ungleich flexibler
gestaltet werden kann. In den sieben in diesem Werk vorkommenden Rezitativen
habe ich versucht, die rhythmisch strenge Fixierung etwas aufzulösen, um den
Interpreten wieder mehr Freiheiten in der Ausführung zurückzugeben. Umschlossen
werden diese Rezitative von 4 Trios, die ihrerseits traditioneller Weise
wiederum Satzbezeichnungen von Einschüben darstellen. Bedingt durch diese
historisch "schwer belastete" Besetzung (Beethoven, Brahms, ...) habe ich die
Tonfolge zweier Takte aus Brahms op. 114 (II, Satz, T. 11f., Klar.) als
Grundlage einer (nicht 12tönigen) Reihe genommen.
Johannes Brahms hatte mit dem
Streichquintett op. 111 – die Opuszahl, die Beethovens letztes vollendetes Werk
trug – sein Lebenswerk für abgeschlossen gehalten (op. 112 und 113, die 1891
folgten, waren größtenteils Zusammenstellung älterer und kleinerer Vokalwerke).
Aber der Vorsatz, nichts mehr zu
schreiben und sein Haus zu bestellen, wurde zunichte, als der Komponist im März
1891 in während seines Aufenthalts in Bad den außergewöhnlichen Klarinettisten
Richard Mühlfeld kennen lernte. Der Eindruck von Mühlfelds Spiel, den Brahms den
besten Meister seines Instruments und wegen seines besonders schönen und weichen
Tons das Fräulein Klarinette nannte, muss außerordentlich gewesen sein. Aufgrund
dieser Bekanntschaft entstanden das Klarinettentrio op. 114, das
Klarinettenquintett op. 115 und die beiden Klarinettensonaten op. 120.
Bei der Uraufführung des
Klarinettentrios, die im selben Jahr stattfand, spielten Brahms, Mühlfeld und
Robert Hausmann.
Die Es-Dur-Klarinetten-Sonate von
Johannes Brahms unterscheidet sich von ihrem Schwesterwerk in f-moll nicht nur
durch ihre gänzlich andere und gänzlich unorthodoxe Form, sondern auch dadurch,
dass in ihr der klangliche Vordergrund eine weit größere Rolle spielt, ohne dass
deshalb die Verfahren der entwickelnden Variation in den Hintergrund treten.
Das Klarinettentrio ist ein fast
asketisches Werk, das mit einer auch beim späten Brahms ungewöhnlichen
Konsequenz aus zwei Grundmotiven – einer Terzenkette, die steigend und fallend
auftritt, und einer chromatisierten Sekundbewegung – entwickelt ist und das mit
ebensolcher Konsequenz den Charakter eines ruhigen, tief nachdenklichen, fast
entrückten „Gesprächs“ der Instrumente (und damit eine ursprünglich aus dem
Streichquartett abgeleitete Grundidee klassisch-romantischer Kammermusik)
festhält.
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